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WAZ 08.07.2011

Am 18. Juli fahren sie nach Bonn. Im dortigen „Haus der Geschichte“ werden sie dann als NRW-Landessieger von Justizministerin Ute Schäfer geehrt. Ja, das haben sie sich auch redlich verdient.

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Fleißiges Team: Laura Biancardi, Julia Forjan, Elisbeth Böhmer, Angelika Pawusch, Wiebke Hemming, Sven Lutzka (v. li.)

Denn beim Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten, ausgerichtet von der Körber-Stiftung (Hamburg), haben sie sich kompetent um ein wirklich skandalöses lokales Thema gekümmert.

Julia Forjan, Laura Biancardi, Wiebke Hemming und Angelika Pawusch vom Riesener-Gymnasium erforschten mit ihren Tutoren Sven Lutzka und Elisabeth Böhmer den schlagzeilenträchtigen Sexualmord an Helmut Daube, der sich im Jahr 1928 in Gladbeck ereignete.

Nun gibt es ja bereits die eine oder andere Darstellung zu diesem lokalen Kriminalfall, aber nie zuvor wurde das Geschehen von einem so jungen Team kompetent unter die Lupe genommen. Grausige Details spielen dabei eine große Rolle. Der Abiturient wurde vor dem Wohnhaus der Familie an der Schultenstraße getötet; am nächsten Morgen wurde der verstümmelte Tote auf dem Bürgersteig entdeckt.

Der gesellschaftliche Umgang mit der Homosexualität in der Weimarer Republik, die offenbar teils schlampige Ermittlungsarbeit der Polizei, die spätere Instrumentalisierung des Daube-Mordes durch die Machthaber im Dritten Reich – zahlreiche Aspekte spielten bei der Aufarbeitung des kriminellen Geschehens von 1928 eine wichtige Rolle. Die Schülerinnen recherchierten im Stadtarchiv, sie befragten Menschen vor Ort an der Schultenstraße, sie fügten viele Puzzleteile zu einem kompletten Gemälde des Falls.

Vor allem machten sich die jungen Ermittler vom Riesener-Gymnasium auch Gedanken darüber, wie eine Gesellschaft – ob damals oder heute – mit Skandalen umgeht. Ein Mörder wurde im Fall Daube nie überführt und verurteilt. Der Hauptverdächtige, Karl Hußmann, konnte nicht beweiskräftig verurteilt werden. Auch der Vater von Helmut Daube geriet damals ins Visier der Fahnder: Tötete er seinen Sohn, weil er dessen Homosexualität nicht akzeptieren konnte?

Seit der Daube-Mordnacht vom 22./23. März 1928 sind über 80 Jahre vergangen – doch der Fall hat viele aktuelle Bezüge, vor allem wenn es um die sozialwissenschaftliche Einordnung des skandalträchtigen Geschehens geht. Die Körber-Stiftung belohnte die umfangreiche und schriftlich niedergelegte Ermittlungsarbeit der Fahnder aus der Klasse 9 a mit einem Geldpreis von 250 Euro. Vielleicht gibt’s ja auch noch einen Bundespreis. . .

Michael Bresgott