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Sally Perel zu Gast am Riesener-Gymnasium

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„Ich habe mich nicht als Hitlerjunge verkleidet, ich war es.“ Mit schonungsloser Offenheit berichtete der Mann, der wie kaum ein anderer den Sinn seines Lebens in der Zeitzeugenschaft gefunden hat, kürzlich am Riesener-Gymnasium über sein ebenso erschreckendes wie erstaunliches Schicksal in der Zeit der nationalsozialistischen Diktatur: Sally Perel. Seit Agnieszka Hollands Spielfilm „Hitlerjunge Salomon“ von 1989, spätestens aber seit dem Erscheinen seiner  Autobiographie auf Deutsch vier Jahre später sind die Umstände seiner Jugend auch hierzulande einer breiteren Öffentlichkeit bekannt; am 17. Juni wurden

sie für die Stufen 9 bis 12 durch ihn selbst sehr eindringlich lebendig gemacht:

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Sally Perel mit Schulleiter Michael Nieswandt und Winfried Klutzny,
dem Organisator der Veranstaltung

1938 emigrierte die jüdische Familie aus Deutschland in den bald darauf von der Roten Armee besetzten Teil Polens, wo Sally nach dem Überfall der Wehrmacht auf die Sowjetunion gefangen genommen wurde, sich aber als Volksdeutscher ausgeben konnte und als Übersetzer der Wehrmacht, Zögling einer HJ-Schule und Soldat unentdeckt von den Nazischergen Genozid und Krieg überlebte. Die Strategie, mit denen Sally als Josef  Pjerell seine eigentliche Herkunft verbergen musste, kam im Vortrag ebenso zur Sprache wie der groteske Identitätskonflikt, in den ihn, den „einzigen jüdischen Hitlerjungen“, die nationalsozialistische Erziehung stürzte, die unüberwundene Trauer um seine ermordeten Angehörigen und die letztendliche Entschlossenheit des Teenagers, das wichtigste Gebot seiner Mutter auch in Zeiten völliger Angst und Verzweiflung unbedingt Folge zu beherzigen: „Du sollst leben.“ Inzwischen ein Bürger Israels, hat Sally Perel mehr als vier Jahrzehnte gebraucht, um seine Erlebnisse zu verarbeiten und mit ihnen an die Öffentlichkeit zu gehen. In Deutschland ist er oft auf Lese- und Vortragsreisen unterwegs.

 

 

 

 

Ein Hauptanliegen seiner Vorträge sieht Sally Perel darin, gerade in jungen Menschen über die Unmittelbarkeit autobiographischer Fakten eine Fähigkeit und vor allem eine Bereitschaft zur Empathie zu wecken, wie es der reguläre Geschichtsunterricht in dieser Form niemals könnte. „Ein wahrer Mensch ist der, der versucht, jemanden zu verstehen.“ Eben. Lesungen und Vorträge sind am Riesener-Gymnasium zwar nicht selten, selten aber wurden im Anschluss so viele Bücher des Referenten verkauft.